19 Jahre jüngerWer war Gussie, die zweite Frau von Kölns Ex-Oberbürgermeister?

Gussie Adenauer 1922

Mit offenem Blick, die Haare in modische Wasserwellen gelegt, blickt Gussie 1922 in die Kamera. Zu diesem Zeitpunkt ist die Tochter eines Kölner Dermatologie-Professors schon drei Jahre lang „Frau Adenauer“. 

Der Kölner Autor Christoph Wortberg hat der zweiten Frau Konrad Adenauers, Gussie, ein literarisches Denkmal gesetzt.

von Stefanie Monien (smo)

Über Konrad Adenauer, einst Oberbürgermeister der Stadt Köln (1917-33) und der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik, (1949-63), weiß man so gut wie alles: Unbeugsamer Demokrat, achtfacher Vater (sein erster Sohn mit Gussie verstirbt kurz nach der Geburt 1920), Liebhaber von Rosen, begeisterter Boccia-Spieler, Erfinder u. a. des beleuchteten Stopf-Eis.

Seine zweite Ehefrau Auguste „Gussie“, geborene Zinsser, dürfte hingegen wenigen ein Begriff sein. Doch im biografischen Roman von Christoph Wortberg (60) spielt sie die erste Geige.

Gussie Andenauer: Sie ist 19 Jahre jünger als Ehemann Konrad

Konrad Adenauer und Auguste Amalie Julie Zinsser trennen 19 Lebensjahre, zwei Konfessionen, aber nur wenige Meter zwischen den Wohnhäusern beider Familien in Köln-Lindenthal.

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Zu Lebzeiten Emma Adenauers (die erste Frau Konrads stirbt 1916, hinterlässt drei gemeinsame Kinder), gibt es Musikabende. Geigenvirtuosin Gussie Zinsser intoniert Brahms, Beethoven und Rachmaninow.

Und später gibt der inzwischen verwitwete, alleinerziehende Adenauer der Professorentochter Pflanztipps am Gartenzaun. Das Herz der warmherzigen jungen Frau, zarte 23 ist sie, öffnet sich mehr und mehr für den Witwer mit den markanten Gesichtszügen. Schließlich hält der 19 Jahre ältere Adenauer um ihre Hand an; Wortberg lässt in seinem Roman Gussies Bruder Ernst unken: „Vielleicht solltest du mit der Hochzeit auch gleich die Beerdigungsmodalitäten klären!“

Brüderlichen Unkenrufen und elterlichen Bedenken (die evangelische Gussie musste vor der Hochzeit am 25. September 1919 zum Katholizismus konvertieren) zum Trotz wurden die beiden glücklich. Vielleicht auch deshalb, weil die unkomplizierte Gussie mit ihrem herzlichen Humor das Schroffe, Staatsmännische in der Persönlichkeit ihres Mannes abmildert.

Hochzeit Konrad & Gussie Adenauer am 25. September 1919

Am 25. September 1919 heiraten Gussie Zinsser und Konrad Adenauer. Vor dem Brautpaar sitzen die drei Kinder aus Adenauers Ehe mit Emma (†1916): Konrad, Maria (genannt Ria) und Max.

„Du bist nicht für den Hintergrund gemacht, Gussie, und viel zu intelligent für die zweite Reihe!“ Ob Adenauer diesen Satz, den er im Roman liebevoll fallen lässt, wirklich gesagt hat, sei dahingestellt. Er beschreibt aber prägnant Gussies Wesen.

Sie ist nicht nur einer exzellente und leidenschaftliche Gastgeberin und begleitet den Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer zu offiziellen Terminen, sie liest seine Reden gegen (und versieht sie hier und da mit einer Prise feinen Humors), engagiert sich u. a. in der Kinder- und Jugendhilfe sowie politisch im Frauenbeirat der Zentrumspartei Köln, der auch ihr Mann angehört.

Von 1945 bis heute

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1933 entwirft und unterzeichnet sie mit anderen einen Aufruf, bei den Kommunal- und Reichswahlen, nicht für die aufstrebenden Nazis zu stimmen. Vergeblich. Die braune Macht ist nicht aufzuhalten – die folgenden Jahre sind auch für die Familie Adenauer voller Dramatik und Leid.

Konrad Adenauer wird des OB-Amtes enthoben, flieht nach Maria Laach. Bis Kriegsende ist es Gussie, die hauptsächlich den Laden „schmeißt“: Sie kümmert sich in Rhöndorf um Kinder, Enkel und Finanzen, stets um unerschütterlichen Optimismus bemüht. In Wortbergs Roman sagt sie zu ihrem ältesten Sohn Paul, als der fragt, warum die Nazis seinen Papa verfolgen würden: „Dein Vater gibt seine Meinung nicht auf, nicht für Herrn Hitler und noch für irgendjemand sonst.“

Gussie Adenauer: Adenauers zweite Frau stirbt mit nur 52 Jahren

1944 (nach dem misslungenen Stauffenberg-Attentat auf Hitler) wird Adenauer in Deutz interniert. Gussie, Sorge um den Mann und Hass auf die Nazis im Herzen, organisiert in einer halsbrecherischen und lebensgefährlichen Aktion Adenauers Flucht in den Westerwald.

Der Preis, den Gussie zahlt, ist hoch: Sie wird verhaftet, in der Kölner Gestapozentrale stundenlang einem peinigenden Verhör unterzogen. Schließlich verrät sie unter dem Druck, man werde ihren Töchtern etwas antun, das Versteck ihres Mannes, kommt in der Abtei Brauweiler in Haft.

Gussie Adenauer 1947

Gussie Adenauer im Jahr 1947. 

Dort unternimmt sie, seelisch gebrochen, einen Selbstmordversuch, von dem sie sich psychisch und physisch nie wieder erholen wird. Im Roman sagt die schwerkranke Gussie: „Es verfolgt mich, es ist immer da. Ich habe dich verraten, Konrad.“ „Das war kein Verrat, du hattest keine Wahl. Ich weiß das, die Kinder wissen das – und Gott weiß es auch“.

Am 3. März 1948 stirbt Gussie Adenauer im Alter von nur 52 Jahren im St.-Johannes Hospital in Bonn.

Kölner Autor Christoph Wortberg: Von der Idee zum Roman „Gussie“

Die Idee zu „Gussie“ hatte der Kölner Autor (u. a. Drehbücher für „Tatort“) Christoph Wortberg nach einem Besuch bei seiner Mutter, als er durch die Max-Bruch-Straße in Lindenthal schlenderte und am früheren Wohnhaus der Adenauers eine Denkmalschutzplakette entdeckte: „Mein Interesse war geweckt.“

Autor Christoph Wortberg

Der Kölner Bestseller- und Drehbuchautor Christoph Wortberg.

Als er zu recherchieren begann und den Namen „Gussie“ gelesen habe, habe für ihn festgestanden: „Über die Frau schreibe ich einen Roman!“ Über „kölsche Drähte“ entstand der Kontakt zu Konrad Adenauer, dem Enkel des „Alten“.

Adenauer zeigte sich bei der Buchvorstellung im Lindenthaler Ex-Wohnhaus seiner Großeltern angetan von Wortbergs Werk: „Ein hervorragendes Denkmal, das unserer Stief-Großmutter gesetzt wurde.“ Er habe „Gussie“ hauptsächlich aus Erzählungen seiner Mutter gekannt, sagt Adenauer, der beim Tod der Stief-Oma drei Jahre alt war: „Warmherzig war sie, eine echte Seele. Sie hat alles für ihre Stiefkinder getan.“